Initiative Lieferkettengesetz

Gegen Gewinne ohne Gewissen – baden-württembergisches Netzwerk engagiert sich für ein Lieferkettengesetz

07.10.2019

Deutsche Unternehmen sollen zur weltweiten Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards in ihren Lieferketten verpflichtet werden

In der Textilbranche, beim Abbau von begehrten Rohstoffen, in der Landwirtschaft – weltweit geschehen täglich Verstöße gegen die Menschenrechte und den Umweltschutz. Deutsche Unternehmen verdienen an Produkten, die unter menschenunwürdigen Bedingungen im Globalen Süden hergestellt werden. Für Verbraucher*innen ist oft nicht transparent, welcher Schaden durch billige Importwaren angerichtet wird. Damit muss Schluss sein. Dies fordert ein breites gesellschaftliches Bündnis aus 64 Organisationen. Anlässlich des siebten Jahrestages der verheerenden Brandkatastrophe in der pakistanischen Textilfabrik Ali Enterprises, einem Zulieferer des Textil-Discounters Kik, haben sie am 10. September die bundesweite „Initiative Lieferkettengesetz“ ins Leben gerufen. Ihr Ziel: Die Bundesregierung muss Unternehmen per Gesetz verpflichten, in ihren globalen Lieferketten Menschenrechte und Umweltstandards einzuhalten. Bei Verstößen sollen sie haftbar gemacht werden. Eine entsprechende Petition hat bereits großen Widerhall gefunden. 

Bei einer Pressekonferenz und einer öffentlichkeitswirksamen Aktion auf dem Kleinen Schlossplatz hat sich heute das baden-württembergische Netzwerk der Initiative Lieferkettengesetz vorgestellt. Ihm gehören 21 kirchliche, soziale, gewerkschaftliche und entwicklungspolitische Organisationen sowie Vertreter des fairen Handels an. Sie machen auf die Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden in den Lieferketten deutscher Unternehmen aufmerksam. Ihr Appell richtet sich an Politiker*innen auf Landes- und Bundesebene, deutsche Unternehmen weltweit zur Achtung der Menschenrechte und menschenrechtlicher Sorgfalt zu verpflichten. Sie pochen darauf, dass die Vereinbarung im Koalitionsvertrag von Union und SPD umgesetzt wird, sich national und auf EU-Ebene für verbindliche Standards einzusetzen. Als ein sehr positives Signal wertet es das Bündnis, dass sich die Frauen-Union mit ihrer Vorsitzenden Annette Widmann-Mauz auf ihrem Bundesdelegiertentag jüngst für ein Lieferkettengesetz ausgesprochen hat.

Gabriele Arnold, Prälatin der Evangelischen Landeskirche in Württemberg:
„Wenn wir als Kirchen einen gesetzlichen Rahmen fordern und den gesellschaftlichen Prozess zur demokratischen Gestaltung eines gesetzlichen Rahmens unterstützen, tun wir dies auf der Grundlage der biblischen Botschaft. Das Eintreten für Recht und Gerechtigkeit ist dem Menschen von Gott geboten. Jeder Mensch hat vor Gott die gleiche Würde und den gleichen Wert. Das ist der innere Grund der zehn Gebote, aber auch der Mahnrufe der Propheten des alten Israel. Propheten wie Elias, Jesaja, Amos, Micha, Jeremia treten für Gerechtigkeit und Recht ein. Jesus selber steht in dieser Tradition und schreibt sie seinen Nachfolger*innen ins Stammbuch. „Was ihr getan habt einem von diesem meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ (Matthäus 25,40).“

Claudia Duppel, Geschäftsführerin des Dachverbandes Entwicklungspolitik Baden-Württemberg (DEAB):
„Vieles ist bei uns so billig, weil andere die wahren Kosten tragen. Beispiel Textilindustrie: Allein in Bangladesch sind in diesem Sektor rund vier Millionen Menschen beschäftigt, 90 Prozent davon Frauen. Dort wird Kleidung unter miserablen Arbeitsbedingungen hergestellt: 14-Stunden-Tage ohne Pausen, keine soziale Absicherung etwa bei Schwangerschaft, kaum gewerkschaftliche Organisation. Der Dachverband Entwicklungspolitik Baden-Württemberg und seine Mitgliedsorganisationen setzen sich seit Jahren für mehr globale Gerechtigkeit und die Durchsetzung der Menschenrechte ein. Und immer mehr Konsument*innen wollen wissen, ob es bei der Herstellung ihrer Kleidung für Mensch und Natur fair zugeht. Einige Unternehmen gehen freiwillig voran. Aber die Erfahrungen lehren uns: Allein auf freiwilliger Basis sind Nachhaltigkeit und Menschenrechte nicht zu haben; dazu braucht es verbindliche Regeln.“ 

Martin Kunzmann, Vorsitzender des DGB Baden-Württemberg:
„Unser gewerkschaftlicher Anspruch an Gute Arbeit gilt weltweit: für die Textilarbeiterinnen in Südostasien genauso wie für die brasilianischen Bergleute und die Beschäftigten in den chinesischen Handyfabriken. Globaler Wettbewerb auf Kosten der Umwelt und auf Kosten fundamentaler Arbeitnehmerrechte ist ein Irrweg, in vielen Fällen ein Verbrechen. Deshalb setzen wir uns für Tarifverträge ein, die Gesundheitsschutz und faire Löhne festschreiben. Ein Lieferkettengesetz wäre ein Hebel, um das Grundrecht auf Gewerkschaftsfreiheit und Tarifverträge in ärmeren Ländern durchzusetzen. Wir müssen die Unternehmen hierzulande in die Pflicht nehmen. Freiwilligkeit reicht nicht aus. Der DGB appelliert deshalb an die Vorsitzende der Frauen-Union Annette Widmann-Mauz, weiter Druck für ein Lieferkettengesetz zu machen.“

In dem baden-württembergischen Netzwerk sind Mitglied:

Attac Stuttgart;
BUND Baden-Württemberg;
Colibri e.V.;
Dachverband Entwicklungspolitik Baden-Württemberg (DEAB) e.V.;
Deutscher Gewerkschaftsbund Baden-Württemberg;
Diözese Rottenburg-Stuttgart, Betriebsseelsorge;
Diözese Rottenburg-Stuttgart, Hauptabteilung Weltkirche;
Eine-Welt-Verein Pachamama e. V. / Weltladen Stuttgart-Botnang;
Evang. Landeskirche in Württemberg, Dienst für Mission und Ökumene (DiMOE);
Evang. Landeskirche in Württemberg, Zentrum für Entwicklungsbezogene Bildung (ZEB);
FAIRstrickt Tübingen;
Handy-Aktion Baden-Württemberg;
Initiative Eine Welt Köngen e.V.;
Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) Diözesanverband Rottenburg-Stuttgart;
Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (KDA) Württemberg;
Kirchlicher Entwicklungsdienst (KED) Baden;
Landesfrauenrat Baden-Württemberg;
Micha Initiative Deutschland e.V. – Lokalgruppen Baden-Württemberg;
Stiftung Entwicklungs-Zusammenarbeit Baden-Württemberg (SEZ);
ver.di Landesbezirk Baden-Württemberg;
Werkstatt Ökonomie e.V.

Fotos: DEAB
Aktuelles zur Kampagne

17.10.19: Pressemitteilung des DEAB:

FAIRE KAFFEEPAUSE - IM GESETZLICHEN RAHMEN

Für einen gesetzlichen Rahmen – gegen Gewinne ohne Gewissen (v.li.n.re.): Uwe Kleinert (Vorstand DEAB und Referent für Wirtschaft und Menschenrecht der Werkstatt Ökonomie), Minister Manfred Lucha, Andrea Schwarz (MdL, Grüne), Landtagspräsidentin Muhterem Aras (MdL, Grüne), Claudia Duppel (Geschäftsführerin DEAB), Reinhold Hummel (Vorstand Initiative Eine Welt Köngen). 

Foto: LTBW

DEAB und SEZ luden im Landtag zur Fairen Kaffeepause ein. Im Mittelpunkt der Gespräche standen die Forderungen nach einem Lieferkettengesetz. Viele MdL unterstützten das Anliegen

„Gegen das Gift der Gewissenlosigkeit hilft nur noch ein gesetzlicher Rahmen!“

Im Foyer des Landtags ließen sich zahlreiche MdL und Mitarbeitende des Landtags am 13. Oktober mit in Sprechblasen geschriebenen Statements und in einem symbolischen Gesetzes-Rahmen fotografieren. Sie unterzeichneten die Petition der Initiative Lieferkettengesetz und unterstützten damit die Forderungen des Dachverband Entwicklungspolitik Baden-Württemberg (DEAB): Unternehmen sollen per Gesetz verpflichtet werden, in ihren globalen Lieferketten Menschenrechte und Umweltstandards zu achten. Die beiden Organisationen DEAB und Stiftung Entwicklungs-Zusammenarbeit Baden-Württemberg (SEZ) hatten zur Fairen Kaffeepause eingeladen, um über die Ziele der Initiative Lieferkettengesetz zu informieren.

„Die Erfahrung zeigt: Selbstverpflichtungen der Unternehmen reichen nicht aus. Wir brauchen ein Gesetz, um die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards weltweit zu gewährleisten“, sagte Claudia Duppel, Geschäftsführerin des DEAB.

Denn gleichgültig ob bei Textilien, Tee, Platin oder Lebensmittel – deutsche Unternehmen verdienen an Waren, die im Globalen Süden unter menschenunwürdigen Bedingungen billig hergestellt werden. Am 10. September hat sich deshalb ein breites bundesweites gesellschaftliches Bündnis aus 64 kirchlichen, sozialen, gewerkschaftlichen und entwicklungspolitischen Organisationen zur Initiative Lieferkettengesetz zusammengeschlossen. Das Datum ist symbolträchtig: Vor sieben Jahren brannte die pakistanische Textilfabrik Ali Enterprises, die unter anderem für den Discounter Kik produzierte.

Philipp Keil, geschäftsführender Vorstand der Stiftung Entwicklungs-Zusammenarbeit Baden-Württemberg (SEZ) betonte: „Soziale und ökologische Missstände in der Wertschöpfungskette bis hin zu Katastrophen in Textilproduktionsstätten weltweit sind alarmierend Wir haben daher beispielsweise die Initiative Future Fashion ins Leben gerufen, um etwas zu verändern und Möglichkeiten für einen nachhaltigen Textilkonsum aufzuzeigen.“

Claudia Duppel, Geschäftsführerin des Dachverband Entwicklungspolitik Baden-Württemberg (DEAB) machte deutlich:

„Vieles ist bei uns so billig, weil andere die wahren Kosten tragen. Allein in Bangladesch sind in der Textilindustrie rund vier Millionen Menschen beschäftigt, 90 Prozent davon Frauen. Dort wird Kleidung unter miserablen Arbeitsbedingungen hergestellt: 14-Stunden-Tage ohne Pausen, keine soziale Absicherung etwa bei Schwangerschaft, kaum gewerkschaftliche Organisation. Und immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten wollen wissen, ob es bei der Herstellung ihrer Kleidung für Mensch und Natur fair zugeht. Einige Unternehmen gehen freiwillig voran. Aber die Erfahrungen lehren uns: Allein auf freiwilliger Basis sind Nachhaltigkeit und Menschenrechte nicht zu haben; dazu braucht es verbindliche Regeln.“ 

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat 2015 die Agenda 2030 beschlossen. Ihr Ziel Nr. 12 fordert, nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherzustellen. „Das [SDG 12: Nachhaltiger Konsum und Produktion] ist kein „nice to have“, das ist eine Verpflichtung. Und den reichen Industrienationen wie Deutschland kommt hier eine besondere Verantwortung zu“, so Claudia Duppel.

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