Honigproduktion stärkt Frauen

Der Honig der stachellosen Meliponen-Bienen leistet einen Beitrag zur gesunden Ernährung und wird in der Naturheilkunde eingesetzt. Indigene Landfrauen in der Region Matagalpa erwirtschaften mit der Honigproduktion eigenes Einkommen und verbessern so die Lebenssituation ihrer Familien. Darüber hinaus tragen naturnahe Hausgärten und ökologische Anbaumethoden zum Erhalt der Artenvielfalt bei.

Frauen Stärken und Gewalt bekämpfen

Foto: EIRENE

Die Rechte der Frauen stärken und die Gewalt gegen Frauen bekämpfen

Das sind zentrale Eckpunkte, um die ländliche Entwicklung zu fördern und Armut zu bekämpfen. In der Region Matagalpa im Nordwesten Nicaraguas unterstützt die Initiative EINE WELT Köngen e.V. in Zusammen­arbeit mit EIRENE e.V. die nicaraguanische Nichtregierungsorganisation Asociación para el Desarrollo Integral Comunitario (ADIC) dabei, die Situation von Frauen und Jugendlichen zu verbessern, die in ländlichen Gebieten von land­wirtschaftlicher Subsistenzwirtschaft leben.

Im Vordergrund steht die Stärkung des Selbstvertrauens und die Einkommensverbesserung der Landfrauen sowie die politische Teilhabe von Frauen und Jugendlichen an den Entwicklungen in ihren Gemeinden. Die Unterdrückung der Frauen ist ein wesentliches Hemmnis bei der Bekämpfung und Überwindung von Armut.

Von den überwiegend indigenen Frauen in den ländlichen Gemeinden Matagalpas kam die Idee, mit der Herstellung und dem Verkauf von Meliponen-Honig ein zusätzliches Einkommen zu erwirtschaften. Meliponen sind stachellose Bienen, die in der Gemeinde vorkommen. Bisher wurde dieses Potenzial nicht genutzt. Die Meliponen bauen ihre Waben in einfache Kästen, die um die Wohnhäuser aufgestellt werden können, so dass kein zusätzliches Land benötigt wird. Die Produktion von Meliponen-Honig ist ein Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt sowie zur Förderung der Naturheilkunde, da der Honig große Heilwirkung besitzt und in der Naturheilkunde zur Linderung von Augen- und Hautkrankheiten eingesetzt wird.

Foto: EIRENE

feministische und ökologische Ansätze verbinden

Neben den umfangreichen praktischen Weiterbildungen zur Honigherstellung und Vermarktung (z. B. zur Bienenhaltung, Honigernte, sachgerechten Lagerung, Verarbeitung, Arbeitshygiene) erhalten die Frauen Fortbildungen zu Frauenrechten, Umgang mit Geld, Persönlichkeitsstärkung, Gendergerechtigkeit und Selbstbehauptung. Für einen ausgewählten Kreis von Frauen werden spezielle Weiterbildungen zum Aufbau einer selbstverwalteten Kooperative angeboten (Buchhaltung, Registrierung von Daten, Vermarktung). Ende 2020 nahmen bereits 13 Frauen Funktionen der Selbstverwaltung in der Kooperative war. Sie wirken im Vorstand, in der Kontrollkommission, im Vermarktungs- und im Bildungskomitee mit.

Marktanalysen ergaben, dass die Nachfrage auf dem nationalen und dem mittelamerikanischen Markt größer ist als das vorhandene Angebot, und dass sich auch in Zusammenarbeit mit der Tourismusbehörde innovative Vermarktungsmöglichkeiten realisieren lassen. Über die Kooperative wurde ein Kleinkreditfonds eingerichtet, über den sich Frauen ein Startkapital leihen können. Kreditrückzahlungen werden in Naturalien (Honig) oder monetär realisiert.

Die Projektkosten umfassen neue Bienenkästen und Arbeitsmaterialien, die Ausstattung der Honig-Sammelstelle und -Vermarktungsanlage (z. B. Tische, Schleudern, Sanitäranlagen), Weiterbildungen und Schulungen sowie die Projektbetreuung durch ADIC.

Mit den Projektaktivitäten werden rund 200 Frauen erreicht und damit indirekt auch etwa 1000 Familienangehörige begünstigt.

Bienenkästen Fotos: EIRENE
Meliponen-Bienen in der Wabe
Kostproben der Melipona-Honigsorten "Mariola" und "Jicote"

Die im obigen Bild dargestellten Kostproben der Melipona-Honigsorten „Mariola“ und „Jicote“ stammen aus der aktuellen Produktion der Kooperative LalAiKo in Matagalpa. LalAiKo, die Kooperative der Imkerinnen in Matagalpa, wurde vom zuständigen Wirtschaftsministerium in Nicaragua legalisiert. Eine verbesserte Honigverarbeitungsanlage wurde in Betrieb genommen. Die Honigprodukte wurden mit einem Markennamen registriert und bekamen ein staatliches Gesundheitssiegel.

Neubau der Verarbeitungsanlage für Honig und Trockenfrüchte

Im Meliponen-Honigprojekt musste während der ersten Welle der Corona-Pandemie die Arbeit in den Monaten April bis Juli 2020 heruntergefahren werden. Dann entspannte sich die Lage etwas, und es konnten wieder Workshops unter Einhaltung von Hygienemaßnahmen durchgeführt werden. Die dabei erworbenen Kenntnisse befähigen inzwischen über 40 Imkerinnen, ihre Honigproduktion auszuweiten und zu verbessern. Die Frauen verdienen dadurch etwas mehr, so dass sich dadurch auch die Ernährungssituation der Familien verbessert. Im Jahr 2021 sollen weitere Imkerinnen in das Programm integriert werden. Außerdem wird ein Kleinkreditfonds gestärkt und die Frauen beim Erwerb von Landtiteln unterstützt, damit sie ihr Eigentum an ihrem Grundstück verbriefen können.

Die Aktivitäten dieser Imkerinnen leisten auch einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt und einer intakten Umwelt in ihren ländlichen Gemeinden. Über mehrere Monate haben sechs ökologisch geschulte Beraterinnen die vorhandene Flora im Garten jeder Imkerin in einer Bestandsdokumentation erfasst. Das ist wichtig, um zu kalkulieren wie viele Bienenstöcke jemand mit seiner bestehenden Flora halten kann bzw. wie diese erweitert werden könnte, um die Produktion zu steigern. In 2021 wird auf dem Gelände der Kooperative eine Baumschule angelegt. Dort werden die ertragreichsten Pflanzen für die Meliponen-Honigproduktion gezüchtet und an interessierte Imkerinnen abgegeben.

Als nicht besonders produktiv hat sich die vorgesehene Zusammenarbeit mit dem nationalen Imkerverband CNAN  (Consejo Nacional de Apicultores de Nicaragua) erwiesen. Dieser Verband fördert die traditionelle Honigproduktion von der stechenden Honigbiene (Apis) und verfügt über keine Erfahrungen mit der Meliponen-Honig-produktion. Die heimischen stachellosen Meliponenbienen nutzen die einheimischen Baumarten und Büsche und tragen damit zur Bestäubung dieser Pflanzen bei. Auch bei der Verarbeitung des Meliponenhonigs ist aufgrund des viel höheren Säure- und Feuchtigkeitsgehalts anders vorzugehen. Da ADIC schon seit mehreren Jahren losen Kontakt zu anderen Meliponenhonig-Produzenten hatte, wurde mit diesen Produzenten ein Austausch und eine Zusammenarbeit angeregt. Inzwischen ist eine Plattform von 30 Teilnehmer*innen entstanden. Einige von ihnen stammen aus Mexiko und Guatemala, wo bereits eine lange Tradition in der Kultivierung der stachellosen Meliponenbienen besteht. Diese Zusammenarbeit wird weiter vertieft, da es gerade bei indigenen Organisationen vielfältige Erfahrungen mit der Produktion von Meliponenhonig gibt.

Die Frauen von LalAiKo produzieren und vermarkten die Melipona-Honigsorten „Mariola“ und „Jicote“. Der weltweit vermarktete Honig wird aus der stechenden Honigbiene (Apis) gewonnen, die von den Spaniern zur Zeit der Eroberung Mittelamerikas eingeführt wurde. Seit präkolumbianischer Zeit erhielten diese Länder jedoch Honig von stachellosen Bienen, den sogenannten Meliponen. Die Melipona-Bienen produzieren einen ganz besonderen Honig, der wegen seiner heilenden und nahrhaften Eigenschaften geschätzt wird. Die Maya- und Nahuatl-Kulturen nutzten ihn für Rituale, Nahrung und medizinische Zwecke. Der Säure- und Feuchtigkeitsgehalt dieses Honigs ist viel höher als beim Apis-Honig. Dieser höhere Säuregehalt sowie eine höhere Konzentration an Inhibitoren (Hemmstoffen) stoppt das Wachstum von Bakterien und verleiht ihnen antiseptische und bakterizide Eigenschaften. Daher wird der Meliponen-Honig in Nicaragua und Costa Rica auch in der Naturheilkunde bei verschiedenen Beschwerden gerne eingesetzt.

Stärkung der Frauenrechte fördert ländliche Entwicklung

Frauen verfügen in Nicaragua kaum über eigenes Land, auf dem sie genügend Feldfrüchte zur Versorgung ihrer Familien anbauen können. Gewalt innerhalb und außerhalb der Familien ist allgegenwärtig. Dabei sind es die Frauen, die, oft allein stehend, für das Überleben der Familien sorgen. Sie sind es, die den Schulbesuch der Kinder und ihre Gesundheitsversorgung ermöglichen. In Nicaragua leben von den rund sechs Millionen Einwohnern etwa die Hälfte unterhalb der Armutsgrenze. Aufgrund der politischen Spannungen seit April 2018 hat sich die Armut noch vergrößert.

Wenn die Regenzeit ergiebig war, gibt es in den ländlichen Gebieten der Region Matagalpa im bergigen Nordwesten Nicaraguas ausreichend Wasser aus öffentlichen Brunnen und Flüssen. Seit einigen Jahren spüren die Menschen in dieser Region die zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels immer mehr als eine bedrohliche Veränderung: auf langanhaltende Trockenzeiten folgen sintflutartige Regenfälle, oder die Regenzeit fällt gar ganz aus. Auch wenn die Saat ausgebracht ist, bleibt die Ungewissheit groß, ob mit der nächsten Ernte die Familie ausreichend ernährt werden kann. Abholzung und Brandrodung sowie ein verantwortungsloser Umgang mit dem knappen Wasser durch die agroindustriellen Anbaumethoden der Großbauern bedrohen zusätzlich die Lebensgrundlagen der kleinbäuerlichen Familien. Nahezu 80% von ihnen leben bereits unterhalb der Armutsgrenze. Der Mangel an Gemüse und eiweißreichen Nahrungsmitteln führt zu gesundheitlichen Problemen bei Kindern und Jugendlichen.

Vor dem Hintergrund dieser existenziellen Herausforderungen verbindet ADIC feministische und ökologische Ansätze und arbeitet mit besonders margina­lisierten Bevölkerungsgruppen zusammen. Hierbei wird auf die Chancengleichheit der Geschlechter geachtet, auf naturnahe und nachhaltige Bewirtschaftung großen Wert gelegt und eine ganzheitliche Verbesserung der Lebenssituation angestrebt. Umfangreiche Ausbildungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen tragen dazu bei, dass die bäuerliche Bevölkerung eine umweltverträgliche Landwirt­schaft entwickeln kann. In Seminaren erhalten Frauen konkrete Hilfestellungen, wie sie ihre Rechte wahren können. Sie erhalten Unterstützung beim Erwerb von eigenem Land und insbesondere beim Zusammenschluss zu Produktions- und Vermarktungskooperativen. Der Verkauf von landwirtschaftlichen Produkten steigert die Familien­einkommen und trägt dazu bei, die Nahrungsmittelversorgung der Familien und damit auch die Gesundheit der Kinder deutlich zu verbessern.

Seit 2015 unterstützt die Initiative EINE WELT Köngen e.V. in Kooperation mit EIRENE e.V. den ganzheitlichen Ansatz von ADIC und fördert diese Projekte in den ländlichen Gemeinden Matagalpas.

ländliche Entwicklung fördern

Anzucht von Gemüsepflanzen Foto: EIRENE
Anlage eines Gemüsepflanzbeetes Foto: EIRENE
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